Freitag, 13. März 2015

(10) Melbourne - Eindrücke einer vielfältigen Metropole


Melbourne
Groß-Melbourne ( wiki - Autor: Diliff) 

Melbourne umfassend zu beschreiben, ist ein unmögliches Unterfangen. Die meisten Besucher beschränken sich beim Besuch auf einige Stadteile und herausragende Sehenswürdigkeiten. Doch Melbourne besteht nicht nur aus dem CBD, dem nahezu rechteckigen Central Business District nördlich des Yarra River, in dem sich einkaufende, arbeitende Melbournians und Touris aus aller Welt drängen. Die Melbourne-Region umfasst die gewaltige Fläche von fast 10 000 km² und hat 4,25 Millionen Einwohner, übertrifft also Berlin an Fläche und Einwohnerzahl bei weitem. Die Riesenstadt erstreckt sich nördlich des Yarra-Rivers bis weit ins sehr australisch wirkende ländliche Umland, östlich bis in die liebliche Hügellandschaft des Yarrah-Valleys und die waldreiche Berge der Dandenong Ranges, südlich zieht sie sich um die Port Phillip Bay bis zur Mornington Halbinsel

Melbourne – ein Konglomerat


Melbourne
Blick von Fitzroy zur Innenstadt 
 
Rathaus von Fitzroy
Chinatown 

Bei unserem fast zweimonatigem Aufenthalt haben wir bald gelernt, dass die Metropole des Bundesstaates Viktoria aus verschiedensten Stadtteilen mit sehr unterschiedlichem Charakter besteht. Ursprünglich waren es meist selbständige Gemeinden – sichtbar an bombastischen viktorianischen Rathäusern – die  manches an ihrer Eigenart bewahrt haben und die alteingesessenen Anwohner haben durchaus ein Zusammengehörigkeitsgefühl. Alle diese Suburbs haben ihre eigenen Zentren, in dem sich Geschäfte, Restaurants, kulturelle und behördliche Einrichtungen drängen. Auch die Bevölkerung kann dann in ethnischer und sozialer Hinsicht sehr verschieden sein. So gibt es Straßenzüge – wie die Lygon Street - in dem vor allem Italiener wohnen und sich ein italienisches Restaurant  an das andere reiht; an der Esplanada Espana, in der Johnston Street, kann man Tapas, Tango oder Flamenco genießen; in der Lonsdale Street und in Richmond lebt die drittgrößte griechische Gemeinde der Welt; in einem Straßenzug – wir wissen nicht mehr wo - haben wir fast nur Vietnamesen angetroffen und vietnamesische Restaurants gefunden. Chinesen sind allgegenwärtig, als Geschäftsleute, im Servicebetrieb, als Touristen, sie leben nicht nur in Melbournes Chinatown – wo man sich nach China versetzt fühlt - sondern auch in anderen Vierteln.  Ein Abbild dieser Vielfalt ist der riesige Haupt-Friedhof  Melbournes in North Carlton (43 Hektar); eine Totenstadt, in der die Verstorbenen seit 1853  nicht nur getrennt nach Konfessionen bestattet sind, sondern oft auch entsprechend ihrer ethnischen, oder sozialen Zugehörigkeit zusammen bleiben, so Iren, Schotten, Italiener, Juden, Chinesen… oder als prominente und wohlhabende Glieder der Melbourner Gesellschaft.


Melbourne
Blick auf den Haupt-Friedhof Melbournes 
Jüdisches Grab 

Chinesisches Grab

Grab eines Iren

Italienisches Grab 

Die Namen der über 100 Vororte Groß-Melbournes enthalten übrigens wichtige Hinweise auf die Geschichte Melbournes. Die Bezeichnungen erinnern an die Rolle der englischen Besiedlung, an historische, oft politische Persönlichkeiten, stammen von frühen Siedlern oder wurden von den Aborigines übernommen. Yarra (River) z. B.  bedeutet in der Eingeborenen Sprache "fliessendes Wasser". Bundoora, Ziel einer Straßenbahnlinie, geht auf ein  Aboriginal-Wort zurück, das "Fläche, wo Känguruhs leben" bedeutet. Den uns heimatlich berührende Vorort „Heidelberg“ führt man auf den Landagenten Continental Brown zurück, der (deutsche?) Käufer für das Land anlockte, in dem er die angebliche Ähnlichkeit mit der Heidelberger Landschaft in Deutschland pries. Die ältesten Vororte Collingwood und Fitzroy, ursprünglich als „Neustadt“ bezeichnet, haben ihren Namen von dem „Collingwood Hotel“, das wiederum nach dem englischen Admiral Collingwood benannt wurde und dem Gouverneur von South New Wales, Sir Charles FitzRoy. Der uns auch heimatlich anmutende Vorort Brunswick mag auf eine Namensgebung der Landgutbesitzer Wilkinson und Parker zurückgehen, die die Siedlung nach der Prinzessin Caroline von Braunschweig, der Gatten König George IV. benannten, könnte aber auch auf  Captain Brunswick Smyth zurückgehen, der 1839 die berittene Militär- und Polizeigarde in Port Phillip anführte.

Ein Blick auf die Geschichte – Besiedlung und Goldrausch



Vor den Weißen - Eingeborene am Meer, unter ihnen der im jugendlichen Alter entflohene Convict William Buckley (rechts), der mit den Wadawurrung  32 Jahre zusammenlebte
(gemalt 2012  von einer Aboriginal, Marlene Gilson, Bild hängt im Melbourne Museum)

Marlene Gilson (2014): William Buckley trifft auf John Batmans Siedlergesellschaft 1835. hinter ihm, auch im grauen Gewand, wohl seine Aboriginal-Frau
Das Ereignis aus weißer Sicht / F.W. Woodhouse (1861): Die ersten Siedler entdecken William Buckley. den "wilden weißen Mann", der sich kaum mehr an seine englische Muttersprache erinnern konnte, wieder ins europäisch-australische Leben eingliederte, begnadigt wurde, und als Dolmetscher zwischen Europäern und Aborigines fungierte

Die Besiedlung Melbournes nahm 1835 ihren Anfang als ein gewisser John Batman aus Tasmanien mit einer Gruppe von Landsuchenden an der Port Phillip Bay nach Siedlungsmöglichkeiten Ausschau hielt. (Batman, ein Farmer, in australischen Geschichtsbüchern oft als wagemutiger Gründer Melbournes und "humaner" Partner der Eingeborenen dargestellt,  hatte sich in Tasmanien im "Black War" - siehe Post: Museum Hobart/Trukanini - gegen die Aborigines als Eingeborenen-Killer hervorgetan.) Er „kaufte“ für minderwertige Tauschgegenstände „vertraglich“ 250 000 Hektar Land von den Aeltesten der örtlichen Aborigines. Es existiert ein schriftlicher Vertrag - aber die Eingeborenen, fassten die Gaben wohl als "Gastgeschenke" für einen zeitweiligen Aufenthalt in ihrem Gebiet auf, entsprechend ihren Gepflogenheiten. Drei Monate später folgte  auf der „Enterprize“ eine andere tasmanische Siedlergruppe unter einem J.P. Fawkner. So entstand die erste dauerhafte Ansiedlung von Schaffarmern, hier einmal keine ehemaligen Strafgefangenen. Der „Landerwerb“, der zur Vertreibung der Eingeborenen führte, die das Land seit Jahrtausenden inne hatten, wurde von der Regierung in New South Wales für illegal, die Siedler  als   „unbefugt Siedelnde“ erklärt. Aber nicht aus Sympathie für die Eingeborenen, sondern weil der Tausch der Theorie des „Terra nullius“ widerspricht (das Land Australiens gehört niemanden, kann also für die Krone Englands in Besitz genommen werden). Das Land hätte nur von der britischen Krone in Besitz genommen und verkauft werden dürfen - nach Auffassung der Kolonialverwaltung. Doch innerhalb von zwei Jahren waren 350 Siedler und 55 000 Schafe angelandet und eine große Wollproduktion in Gang gekommen. Gouverneur Richard Bourke sah sich genötigt, die wachsende Ansiedlung zu akzeptieren. Die neue Stadt wurde nach dem Premier-Minister Englands, Richard Lamb, bekannt als Lord Melbourne, benannt.

Die Unterzeichnung des Batman-Vertrags ("Treaty") im Rückblick, Zeichnung von C. Ashton 1880 

Melbourne (Port Phillip) 1841 (John Adamson, State Library of Victoria) 

Tafel im City Museum des Treasury Buildungs 

Der in den 50ziger Jahren folgende „Goldrush“ (wörtlich: „Gold-Hatz“) – ausgelöst durch reiche Goldfunde in der weiteren Umgebung Melbournes – machte die Stadt zur „Boomtown“ und brachte Massen an Immigranten aus Übersee ins Land. Die Einwohnerzahl Melbournes und Victorias wuchs sprunghaft an und die gesellschaftliche Situation veränderte sich. Schon damals entstand eine „multikulturelle“ Gesellschaft, wenn auch einzelne Teile, wie die Chinesen, unwillkommen waren.

 Die Einwohner Melbournes und seine Regierung wurden durch den auf Grund der Goldfunde ausgelösten Handel, die damit verbundenen Geschäfte und Abgaben wohlhabend und konnten sich einen prächtigen und modernen Ausbau der Stadt leisten. Nach wie vor war aber der Wollhandel und –export ein wichtiger Wirtschaftszweig, der ebenfalls Reichtum begründete. Die Industrialisierung und der Bauboom in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und ein Arbeitskräftemangel bescherte Handwerkern und Arbeitern ein gutes Einkommen, sodass sie sich in den Vororten akzeptable Wohnbedingungen schaffen konnten.

Melbourne
Melbourne 1906 (Laurence William Wilson, State Library Victoria)

Für sie baute man nicht wie in den beengten Städten Europas Mietsilos, nach oben, sondern in der Fläche. So entstanden die vielen, für Melbourne typischen „Cottages“ im viktorianischen Stil, kleine ein- oder zweistöckige nach hinten gestreckte Reihen-Häuschen mit überdachter und eingezäunter Vorderterrasse („Terrace-Houses“), langem schmalem Eingangsflur, daneben und dahinter liegenden Zimmern bescheidenen Ausmaßes, aber großer Höhe, und einem hinter dem Haus liegenden kleinen Garten. Alle sind nach demselben Muster gebaut, mit den gleichen Stuckverzierungen innen und außen versehen und mit gusseisernen Gittern und Ornamenten geschmückt, die als Beiladung mit den Immigrantenschiffen aus England kamen. Ursprünglich von Arbeitern, Handwerkern und kleinen Angestellten erworben, sind sie heute gesuchte und teure Objekte für gut verdienende Melbournians der Mittelschicht. Beispielsweise wurde das Nachbarhäuschen zu dem, in dem unsere Tochter Anna-Lena in Fitzroy wohnt, für über eine Million Dollar verkauft. Die Besitzer wiederum vermieten dann oft (zu recht hohen Mietpreisen) an besser verdienende junge Leute, für die es schick ist,  in solchen Häuschen zu wohnen. So wurden ehemalige Arbeiterviertel wie Fitzroy, Collingwood oder Carlton, die zu Slums herabgesunken waren, zu heute angesagten Wohnplätzen. Die Fabriken dort, die längst aufgegeben sind, baute man zu komfortablen Apartments aus.

                                                       Sozialer Wandel in Bildern

Melbourne Fitzroy
Terrace Houses in Fitzroy - heute
Terrasse vor einem Häuschen
Blick ins Innere 

Garten hinter dem Häuschen 
Terrace House Strasse in Carlton früher (Anfang des 20. Jahrhunderts? - Quelle - auch der nachfolgenden Bilder: Digitale Bildersammlung State Library Victoria) 

Oeffentliches Waschhaus in Collingwood  

Blick in die Küche eines Hauses in Collingwood 

Frau im Garten eines Häuschens

Die Geschichte der Einwanderungen und die Einwanderungspolitik Australiens wird im Immigration Museum in der Flinders Street dargestellt.

Über die Goldrauschzeit und überhaupt über die Frühzeit Melbournes informiert  mit viel Dokumenten und multi-medialer Aufbereitung das Old Treasury Building in der Spring Street. Das Gebäude, 1858-62 in Anlehnung an italienische  Palazzi im Renaissance-Stil errichtet, ist mit seiner Außengestaltung und Inneneinrichtung selber ein Zeugnis  des Reichtums der Stadt. In seinen Gewölben wurden die angehäuften Staats-Schatze verwahrt und verwaltet. In den Goldrausch-Zeiten sollen 2 Tonnen Gold wöchentlich eingetroffen sein. Hier wird auch eine Nachbildung des zweitgrößten Nuggets gezeigt, der je gefunden wurde: der „Welcome Nugget“. Man fand ihn 1858 in einer Mine in Ballarat, er wog 69 kg und hatte einen Umfang von 49 cm. Für eine riesige Summe von der Minen-Gesellschaft verkauft, wurde er wahrscheinlich zunächst hier  im Treasury House aufbewahrt und schließlich in London zu Goldmünzen verarbeitet.

Melbourne
Old Treasury Building 

"Welcome Nugget" 

Hier in diesem zuerst fertiggestellten repräsentativen Staatsgebäude Melbournes residierte auch „His Excellency, the Governor of  Victoria“ und hielt seine wöchentlichen Regierungs- Besprechungen ab. Dagmar ließ es sich nicht nehmen, auf seinem Amtssessel niederzulassen.



Governor Dagmar 
Von 1901 bis 1927 war Melbourne die Interims-Hauptstadt Australiens, bis Canberra errichtet war. Die Abgeordneten des  Commenwealth of Australia tagten in dem gewaltigen Parliament House mit seinen vorgelagerten Kolonaden in der Spring Street (1855 wurde der Bau begonnen). Die Abgeordneten Viktorias zogen in das riesige, im Stile einer klassizistischen italienischen Kathedrale mit Kuppel und großer Halle errichtete „Royal Exhibition Buildung“  in den Carlton Gardens ( Aussstellungsgebäude, 1880 für internationale Ausstellungen fertig gestellt).

Parliament 

Melbourne
Royal Exhibition Building 

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